Rede vom 40. Art Cafe in Berlin auf Einladung des Philosophischen Salons Berlin



Es ist ja eigentlich nur der Augenblick, der zählt,
der Schritt in den Garten,
der Blick über ein grünes Tal,-
das Glück , das geliebte Gesicht in der Menge auftauchen zu sehen,....
der Moment - wo der Schleier der Maja frisch gewaschen auf der Leine hängt,
kurz, wie die Lücke.. zwischen zwei Schlägen einer Uhr.

Und es gibt das unstillbare Begehren diesen Augenblick zu verlängern, festzuhalten.

Die dionysische Affirmation Nietzsches :
Und alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit
verfängt sich mit diesem Begehren
wie ein Netz in den Felsen einer Untiefe.

....das Kind nimmt Kiesel aus dem Bach, wie schön, wie bunt sind sie doch.
Aber dann trocknen sie, sind fad, normal.
Der Vater sagt lachend, so ist das eben, `s wird alles grau.

Kinder, die das nicht glauben , werden nicht erwachsen, werden Künstler.

Was soll man über Kunst sprechen??
Kunst macht man.
Der Augenblick in dem man Kunst macht, entzieht sich der Sprache.

Beuys, der von morgens bis abends reden konnte, über Gott und die Welt und - natürlich über Kunst - über seine Kunst sprach er nicht!
Picasso mit seinem Riesenego ... über seine Kunst hat er nicht gesprochen!
Einmal wurde er traktiert mit der Frage,... was ist Kunst? Er lachte und antwortete :
Ich weiß es nicht... und wenn - würde ich es für mich behalten.

Kunst ereignet sich.
Bestenfalls.

«Jeder Künstler arbeitet im Dunkeln und wird nur von den Tunnels und Schächten früherer Werke geleitet, während er einer Ader folgt in der Hoffnung, auf eine Goldgrube zu stossen. Gleichzeitig aber muss er fürchten, dass die Ader schon morgen ausgeschöpft sein kann.» sagt G. Kubler in....Shape of Time


Ich versuche das zu vermeiden (natürlich, werden sie denken, das ist doch klar......) etwa durch meine Arbeitsweise.
Ich habe eine komische Art Dinge anzugehen, quasi einzukreisen, bin ganz außer imstande linear zu leben, zu denken. Eher werfe, streue ich meine Gedanken und Pläne in alle Richtungen, um mich und voraus ...und sehe , wie sie sich entwickeln, bevor ich sie dann wieder einfange, weiterentwickle.
So entstehen die Bücher.... und kleine Zeichnungen, die ich Mudras, Fingerübungen nenne.
Aus diesem Tun entwickeln sich dann größere Themen und Projekte.
Wenn sich überhaupt Projekte entwickeln....
Galeristen, ..der Markt ! sind nicht begeistert von solchen Arbeitsweisen,... wie sie sich denken können.

Wann ist Kunst..?

Ich zeichne , seit ich sechs Jahre alt bin, aber ich wundere mich immer noch, das meine Arbeiten machen, was sie wollen.
Ich habe jahrelang die wirklich guten Sachen weggeworfen, bevor ich es begriff - und akzeptierte, das es nicht nach meinem Willen geht und das es anders ist ,... anders als jede andere Arbeit.

Johannes Stüttgen hat in einem Art Cafe erzählt , wie er seinen Lehrer Beuys fragte:

"Beuys, warum lächelt die Mona Lisa ?"

"Weil sie klüger ist als Leonardo", antwortete Beuys.

Das trifft ganz gut den Punkt, irgendwie...

Ich bin in den Nachkriegsjahren aufgewachsen, als die Menschen damit beschäftigt waren den Schutt weg und Existenzen auf zubauen, Kinder spielten in Gossen und
in Ruinen und kamen heim, wenn sie Hunger hatten. Ich war ein sehr vitales Kind,
heute hätte ich wahrscheinlich Ritalin gekriegt oder wäre vorm Fernseher sediert worden,
damals zeichnete mein Vater mit einem Zirkel Kreise auf Papier die ich farbig ausmalen
konnte, denn..gottlob gab es auch noch keine Malbücher!
Die Ergebnisse würden nicht weiter zur Kenntnis genommen oder gar aufgehängt,
es reichte schon, mich an Regen oder Wintertagen zu beschäftigen.

Ein wichtiges Erlebnis war, als mich mein Vater mit sechs Jahren zum ersten Mal mit ins Museum nahm. Es gab im Museum (K.-E. Osthaus) eine Sonderausstellung afrikanischer Kunst und ich war völlig fasziniert und so wurden dann die Kreise durch freie Zeichnungen abgelöst.
(Vielleicht kann man ja im buckligen Männlein, in den Scherenschnitten noch ganz gut die schwarzen afrikanischen Tänzer erkennen...)
Später, mit etwa 14 J., ich ging jetzt allein ins Museum, begeisterten mit die Maler der Brücke, - und Max Ernst, eine Liebe, die geblieben ist ...Zitat

Ich wollte dann unbedingt Kunst studieren, damals ging das noch mit mittlerer Reife,
meine überforderten Eltern meldeten mich ( ich war 16!) in Wuppertal für Grafik Design an,
Motto : Kind soll sich doch mal ernähren können.. und gezeichnet wird da schließlich auch!!
Ich war 5 Semester schrecklich unglücklich - Grafik Design ist NICHT gleich Kunst....
bis ich dann heiratete... also erst schwanger wurde, dann heiratete...das waren ja politisch schon fast die 68iger...und aufhörte mit dem Studium.

Was ich dann viele Jahre weiter, ordentlich zu Ende brachte!!
Das ist ja auch so eine Codierung!..etwas zu Ende bringen.
Bis dann auf der Examensfeier mein wunderbarer Lehrer Heinz Edelmann mich beiseite nahm und lächelnd sprach :
Also, meine liebe Frau Bohde, Sie haben ja ein sehr gutes Examen gemacht, aber irgendwie sitzen Sie zwischen 2 Stühlen...und das ist nicht gut.
Sie sollten sich überlegen und entscheiden, ob Sie nicht lieber Kunst machen sollten.
Irgendwie sehe ich Sie nicht in der Werbung.

Das tat ich auch nicht.
Ich entschied mich - für Kunst.

Das war dann alles andere als leicht. Ich habe Jahre gebraucht, um mir "Fertigkeiten"
abzugewöhnen ...und wie Eingangs schon erwähnt, ich glaube, ich habe jahrelang die falschen Bilder aufbewahrt bzw weggeworfen.

Das meiste haben allerdings dann die vielen Umzüge, allein 5 Atelierumzüge, die Wohnungsumzüge waren fast doppelt so viel, erledigt.

Ach ja, die ganze Zeit habe ich gesagt : Ich bin Malerin,..zeichnen kann ich nicht besonders, bis ich vor 2 Jahren entdeckte, das ich eigentlich Zeichnerin bin....
ich finde, malen kann ich nicht besonders....

Danke schön!