Berlin: Der mobile Tisch

Vom 8.8. - 23.8.13 war ich "Artist in Residence" der Lichtenberg Studios in Berlin-Lichtenberg.

Die Lichtenberg Studios bieten den ResidentInnen freie Unterkunft und einen Arbeitsraum.
„Die Grundlage bildet die Idee der Aktivierung des Bezirkes über niederschwellige Interventionen, angefangen bei den „touristischen“ Gesten der Residenzgäste, die den Bezirk als Rechercheure oder einfache Flaneure durchstreifen, bis hin zu konkreten Projekten in der Öffentlichkeit Lichtenbergs.“

Es ging also um temporäre Kunst im öffentlichen Raum und ich entschied mich für „mobile Tischgespräche“, Thema: Wann ist Heimat.

Nach einer Erkundigung des Bezirks ziemlich kreuz und quer habe ich ein altes Postrad gemietet und so ausgerüstet dass es vorne zum Tisch wurde. Das schwere Rad und das Berliner Pflaster schränkten allerdings meinen Aktionsradius ziemlich ein auf Rummelsburg, den Viktoria- Kiez und den Weitling-Kiez.

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Der mobileTisch

Menschen an einen Tisch zu bringen, ist zu einem Inbegriff von angestrebter Gemeinschaft, überbrückter Differenzen geworden. Es scheint paradox, das dieser Inbegriff für Nähe zunächst eine Barriere in sich birgt. Der Tisch schafft eine vorgegebene Distanz: durch seine Beschaffenheit bestimmt er einen minimalen – durch seine Funktion einen maximalen Abstand von einem Gegenüber. Die Größe dieses Abstandes ist der Funktionalität des Tisches als Ablage zugeordnet. In Bezug auf die Distanz, die er zwischen Individuen schafft, ist diese Eigenschaft des Tisches rein zufällig. Die Frage der Nähe wird von außen beantwortet, aber gerade durch die Kontingenz dieses Maßes, kann die entstehende Nähe von allen akzeptiert werden. Die Schwierigkeit im Umgang mit anderen Individuen ist zu großem Teil der Unsicherheit zuzuschreiben, die durch das Fehlen eines Maßes für körperliche und geistige Nähe zustande kommt. Die Brücke, die der Tisch schafft ist also eigentlich die Überbrückung dieser Unsicherheit.

Wie ein räumliches Maß, so fehlt auch ein zeitliches Maß für die Kommunikation. So wenig man den angemessenen Raum zwischen Menschen mit Zentimetern angeben kann, so wenig kann man die angemessene Dauer eines Gesprächs mit Minuten bestimmen. Kaum einmal gelingt es die Dauer des Gesprächs als „einem Thema adäquat“ einzuschätzen. Das Richtmaß wird also wieder in etwas Äusserem gesucht; der Situation. Die Situation muss in ihrer Ganzheit abgeschätzt werden können um eine feste Zeitlichkeit als Horizont für eine Kommunikation zu bilden. Das Essen bildet das Maß für Zeitlichkeit einer Unterhaltung nicht bloß auf der Makro-Ebene. Auch die Adäquanz von Pausen im Gespräch, der Zeit zwischen Frage und Antwort, wird nicht mehr dem Sprechenden als Sprechenden angelastet. Als Essender ist er zugleich in eine Tätigkeit involviert, die dem Gespräch von aussen Pausen oktroyiert.

Diese Hilfsmaßnahmen scheinen nötig zu sein, weil uns ein eigenes Maß für Zwischenmenschlichkeit abhanden gekommen ist – falls wir je eines hatten. Alles was partizipatorische Kunst leisten kann und soll, ist die Wahrnehmung für solche sozialen Phänomene zu schärfen. Dies kann immer nur in Form von Symbolen geschehen. Um Alltägliches als Symbol wahrzunehmen, muss man es aus seiner sozialen Verankerung reißen, es in einen neuen Kontext stellen. Gut Behütetes muss offen zu Tage liegen, Anheimelndes muss seine Heimat verlieren, Ortgebundenes muss mobil werden. Das „mobile Artcafé“ in seiner Ausprägung als „Tischgespräche“ tut genau dies. Es bringt Situatives für eine Zur-Schau-Stellung nicht lediglich in neue Wände – die eines Museums – sondern will diese Wände überhaupt überwinden. Dass sich Situationen und Begegnungen bilden, modellieren lassen, ist eine durchaus alltägliche Überzeugung, die zu Verkaufsstrategien aller Art perfektioniert wird. Meine Überzeugung ist es, dass sich dieses Potential künstlerisch nutzen lässt. Dabei wird die Grenze zwischen bewusster Gestaltung und unmittelbarer Partizipation, zwischen „Herr sein über“ die Situation und „sich befinden in“ derselben fallengelassen. Nur dadurch lässt sich die der Wunsch die Kunst in die Gesellschaft zu tragen, mit seiner eigenen Maxime ein, auch Teil der Gesellschaft zu sein, sich auf diese einzulassen.

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Es war eine gute Zeit in Lichtenberg und ein spannendes Projekt.

Das Thema: Wann ist Heimat, griffen einige Gäste gern auf, während andere lieber von sich und aus ihrem Leben erzählen wollten.

Schön war die Begegnung mit dem Lichtenberger Bezirksbürgermeister Andreas Geisel, der auch Schirmherr von Lichtenberg Studios ist. Der kunstinteressierte Politiker nahm sich eine Stunde Zeit für das Gespräch mit mir und ich war überrascht von seinem Besuch der Documenta13 zu erfahren.

Das würde ich mir auch von Kölner Bürgermeistern wünschen!

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Außer Fotos und Interviews gibt es auch Videos von meinen Fahrten durch die Kieze, aufgenommen vom Fahrrad aus.

Projekt: Kreidezeit

SKF/ Sozialverband Katholischer Frauen
Im SKF kommen Frauen, die Hilfe suchen, mit Frauen die sie beraten, zusammen.

Ich lade Klienten und Sachbearbeiter ein, auf Tafeln zu zeichnen, zu schreiben,- was wiederum dokumentiert und ausgestellt wird.
Die flüchtigen Zeichen mit Kreide , das Auswischen und auch das Festhalten als Erinnerung stellt Bezüge zum eigenen Erleben her.

Erbarmen als soziale Form

Ein Projekt der Caritas Köln

Dorothea Bohde: Bleibende Werte, 2013. Installation im Haus der Architektur, Köln

Tafel : weiß geschlämmtes 2 teiliges Eichenbrett 130x320 auf Tisch von Heinz Bielefeld.
Alte Frühstücksbrettchen und Bestecke.




(c) Foto: Frank Baquet


Die Rumfordsuppe



Die Rumfordsuppe ist für mich kein "Kochen als Kunstform" sondern eine Metapher für Gier, Geiz und die Kälte eines Sozialversuchs der Menschen wie Haustiere behandelt, bzw. politisch und sozial ruhigstellt und für die Optimierung von Gewinn.

Rumfordsuppe oder Rumfordsche Suppe ist eine preisgünstige, nahrhafte Suppe auf der Grundlage von Graupen und getrockneten Erbsen. Benjamin Thompson, Reichsgraf von Rumford, erfand sie 1795 für die Soldaten der Armee seines Dienstherrn, des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, und für die festgenommenen Bettler sowie die Arbeitslosen in seinem Militärischen Arbeitshaus in der Münchener Au, um diese sparsam aber dennoch nahrhaft zu versorgen. Sie wurde in der Folgezeit in zahlreichen Suppenküchen an Bedürftige ausgeteilt.
Das waren die ersten Suppenküchen, die später überall in Europa Nachahmer fanden, quasi die Vorläufer der heutigen Tafeln.